Elkes und Jochens >Fortsetzung Südafrika< Weblog • last change 12/12/06 • Impressum

Kontakt: <jochensievers@dielupe.org> oder <wallenz@ginko.de>


web site by blue-turtle-design.com

Groot Marico Projects



8. Bericht vom 6. Dezember 2006 aus Groot Marico - Kuilfontain

Liebe Freundinnen und Freunde,

Zeit für einen neuen Bericht aus Afrika. Wahrscheinlich der letzte in diesem Jahr. Dieses wird jedoch noch kein Rückblick, sondern eher ein Versuch die Widersprüche zu benennen, die es in diesem Lande gibt.

Es ist Sommer geworden und im November hatten wir das Glück, auf einer Rundreise durch den südlichen Teil des Landes viele Naturschönheiten zu sehen und Versuche zu erleben, wie südafrikanische Menschen nach der Unabhängigkeit neue Lebensformen zu gestalten. Bei der Auswahl der Bilder sind die Naturschönheiten im Vordergrund, die zu erleben ein großes Geschenk ist. Der indische Ozean mit seinen langen weißen Stränden, hohen Dünen und blauem ins türkis gehende Wasser. Die hohen Berge in der Küstenregion zum Teil schroff abfallend ins Meer. Und die Berge in der wüstenähnlichen Region der Karoo, wo man bei jeder Öffnung eines neuen Tales und einer neuen Bergformation stehen bleiben muss, um die ungewöhnlichen Gestaltungen zu bewundern. Wir haben Naturreservate besucht, in den Urwald erhalten geblieben ist und eine Dünenlandschaft über viele Jahre unberührt ist in der wild lebende Tiere wieder angesiedelt werden konnten; wir konnten Wale und Delphine beobachten, die sich in den Fluten erfreuten. Wir konnten Elkes Geburtstag im Restaurant einer Ziegenfarm begehen auf der Veranda mit Blick auf einen See und erlesene Käsesorten und Salate genießen. Über die Schönheiten des Landes und die angebotenen Genüsse kann man ins Schwärmen geraten.

Auffällig ist, dass in dieser Region des westlichen Kaps Menschen mit so-genannter weißer Hautfarbe vorwiegen, jedenfalls begegnet man wenig anderen an den touristisch ausgelegten Plätzen. Man hört sogar sehr häufig deutschsprachige Konversationen. Auf einem Ökomarkt bot eine Frau, die in Meldorf geboren ist, Christstollen feil und man konnte deutsches Roggenbrot kaufen, wer will da widerstehen? Die Einteilung der Bevölkerungsgruppen in „Schwarze“, „Farbige“ und „Weiße“ ist nach der Unabhängigkeit keineswegs überwunden. In einem kleinen Ort mitten in der Koroo fanden wir das besonders krass: von den 1000 EinwohnerInnen sind ca 70 Weiße, die im scheinbaren Stadtkern wohnen, an die 900 „Farbige“ wohnen durch einen Flusslauf getrennt daneben und „dahinten am Berg wohnen ‚schwarze‘ Familien“. Wirtin des Bachpacker - Gästehauses, eine Schweizerin, meinte dazu: „So ist das halt in Südafrika“ und erwähnte nicht, dass in unmittelbarer Nachbarschaft in einem von Engländerinnen gegründete Projekt Bilder, Kleidung, Tonwaren, Applikationen und Stickereien von „Farbigen“ produziert werden. Die Attraktion des Ortes ist hingegen das „Eulenhaus“, ehemaliger Wohnort einer Künstlerin und heute Museum mit vielgestaltigen Arbeiten dieser Frau, die sich im Alter von 76 Jahren (1978) das Leben genommen hat, wahrscheinlich weil sie die Anfeindungen der Ortsbevölkerung nicht mehr ertragen konnte. Um so erstaunlicher ist es, dass die Ortsbevölkerung heute von den Touristen lebt, die von den ungewöhnlichen Kunstwerken angezogen werden. Sie hat in ihrem kleinen Garten Unmengen lebensgroßer Figuren aus Beton anfertigen lassen, Menschen Tiere, Fabelwesen; Kultstätten vieler Religionen. Im Haus hat sie die Fenster mit farbigem Glas versehen, sodass bei Sonnenschein außerordentliche Effekte entstehen. Der Mann der nach ihren Plänen die Figuren gebaut hat, ein ‚schwarzer‘ oder ‚farbiger‘ Afrikaner, ist wohl ihr Lebensgefährte gewesen, was der Grund für die Anfeindungen gewesen sein wird. Er hatte nach ihrem Tod den Ort verlassen und ist später zurückgeholt worden, um das Museum einzurichten. Er war wohl zwanzig Jahr jünger als die Künstlerin, mit der er zusammenwirkte und hat hier das Museum bis ins hohe Alter betreut.

Offenbar ist die Anzahl der „Farbigen“ in der Kap - Region weitaus am größten. Die besondere Situation dieser Bevölkerungsgruppe ist uns erst auf dieser Reise verständlicher geworden. Ursprünglich wurden von den Kolonialisten die Khoisan als „Farbige“ bezeichnet mit den Apartheitsgesetzen wurden InderInnen, AraberInnen und diejenigen, die aus Mischehen hervorgegangen sind, dieser Gruppe zugeschlagen. Zwischen „Farbigen“ und „Schwarzen“ gab und gibt es Abgrenzungen. Im Befreiungskampf waren die Beziehungen enger. Elke war besonders fasziniert von der Vielfalt und Schönheit der unterschiedlich aussehenden Menschen.

Auf unserer Rundreise kamen wir nach Elim, einer Missionsstation der ursprünglich „Moravischen Kirche“. Erst dort fanden wir raus, was das für eine Kirche ist. Es handelte sich um eine Gruppe von Waldensern, die aus der heutigen Tschechischen Republik flüchteten und mit denen Graf von Zinzendorf in Deutschland die Herrenhuther Brüdergemeinde gründete. Diese wurde von der Dutch Reformed Church gebeten doch jemanden nach Südafrika zu schicken um sich dem „Farbigenproblem“ zu widmen, was sie selber nicht wollten. So ist nach vielen Widrigkeiten und Problemen ein Ort entstanden in dem „Farbige“ Wohnung und Arbeit finden konnten. Die „weißen“ Missionare sind längst verschwunden und im Ort lebt eine unabhängige Gemeinschaft, ihrer Geschichte bewusst, in sozialen Projekten engagiert und als Reetdachdecker in ganz Südafrika gefragt ohne regelmäßige Spenden oder Zuwendungen aus Übersee. In der Gegend von Ladysmith mitten in den Bergen hat sich eine Gruppe von 21 jungen Menschen (shareholder) - zT. Familien (alle „weiß“) eine Farm gekauft, bestehen aus einem Tal mit Fluss und einigen Bergen. Sie wollen hier ihren Traum vom Leben mit der Natur verwirklichen. Das bedeutet sie bauen ihre Häuser mit Naturmaterialien, gehen sparsam mit dem Wasser um, keine Spülklosetts, und wollen nach und nach mit Permakultur ihre Nahrungsmittel weitgehend selber produzieren. Bisher haben zwei shareholder Häuser gebaut, die anderen wohnen an den Orten, wo sie Geld verdienen, sie wollen sich aber nach und nach dort ansiedeln. Ein Ziel ist es, auch „schwarze“ oder „farbige“ shareholder zu gewinnen. Zu der Gruppe gehören einige Spezialisten in Ökologischem Bauen und ökologischem Landbau, die an vielen Orten des Landes den Menschen helfen ihre Nahrungsmittel selbst zu produzieren und billig und gesund Häuser aus Lehm und Stroh zu bauen

Am Ende unserer Reise kamen wir nach Johannesburg, eine quirlige Stadt in der man bei einer Fahrt innerhalb von wenigen Minuten durch Stadtteile mit den unterschiedlichsten Wohn - und Lebenssituationen kommt. Wer gelegentlich unser Berichte gelesen hat wird gemerkt haben, dass wir immer wieder die widersprüchlichen Lebensverhältnisse beobachtet an der Art der Unterkünfte erwähnen. Wir waren am indischen Ozean in einem Ort „Wildernes“ in dem Die Reichsten Leute des Landes überdimensionale Unterkünfte Geschaffen haben, auch der kürzlich verstorbene Pik Botha (ehemaliger Apartheitspräsident) soll hier eine Villa gehabt haben. Nähert man sich Johannesburg von Süden, so kommt man ca 20 km lang durch Siedlungen, die vorwiegend aus Blechverschlägen bestehen, zwischendurch auch mal kleine Steinhäuser, dann wieder diese Wellblech Hüttchen, dicht an dicht. Südafrika ist die Nummer Eins geworden im Wettbewerb um die größte Kluft zwischen Armut und Reichtum. Regierungsprogramme zur Verbesserung der Wohnsituation gehen schleppend voran und sind völlig unzureichend, weil besseres Wohnen nur zusammen mit Schaffung von Einkünften entstehen kann. Wir haben in Johannesburg ein Projekt kennen gelernt, das sich genau diesem Problem widmet; es nennt sich „Eco Village“ (Öko Dorf) und beginnt mit Leuten aus diesen Blechsiedlungen Häuser aus Lehm zu bauen beim Bauen lernen sie wie man Häuser konstruiert und gleichzeitig werden Gartenbau, und Handwerksbetriebe aufgebaut in denen die Bewohnerinnen Geld verdienen können. Die Planung dieses Projektes ist gut durchdacht, fängt klein an und weitet sich hoffentlich aus.

Johannesburg hat Kulturzentren, wir besuchen gern das Markttheater, das in eine ehemalige Markthalle eingebaut worden ist und schon seit 30 Jahren politische Stücke zur Aufführung bringt. Thema war immer die Situation der Apartheid und der Protest dagegen. Das Stück, das wir uns jetzt angesehen haben „Schlägst du eine Frau, schlägst du einen Felsen“ entstand 1986 zur Erinnerung an den Protestmarsch der Frauen in Pretoria -1956- gegen die Passgesetze. und wurde 2006 fünfzig Jahre nach der Demonstration wieder ins Programm aufgenommen. Das Publikum bestand diesmal vorwiegend aus „schwarzen“ Frauen. Das Stück zeigt die alltägliche Lebenssituation der Frauen in Südafrika während der Apartheidszeit Streit und Spaß der Frauen untereinander mit ihren Männern und fast auch alltäglich die Ungeheuerlichkeit der Übergriffe der Arbeitgeber und der Polizei. Anschaulich dargestellt von drei außergewöhnlichen Schauspielerinnen.

Zurück in Groot Marico Kuilfontein, Tara Rokpa Centre: Elke konnte aus Erlösen des Verkaufs von Produkten des Nähworkshops (Sitzkissen, Matten und Kleider) eine neue Handnähmaschine kaufen, die später einer Frau den Aufbau einer selbständigen Nähwerkstatt - ohne Strom - ermöglichen soll. Aus Spenden und Verkaufserlösen sollen weitere Handnähmaschinen gekauft werden. Die alten elektrischen Maschinen, die freundlicherweise von netten Menschen gespendet wurden, halten bald dem täglichen Gebrauch nicht mehr stand; sie müssen zu oft und zu teuer repariert werden.

Die Holzarbeits - Trainings - Werkstatt hat leider Stephans, den jüngsten und fähigsten Lehrling verloren - die Praxis der Abwerbung halb trainierter HandwerkerInnen war in Apartheitszeiten schon üblich und scheint auch weiter ausgeübt zu werden. Dafür konnten wir Joseph, einem Mann der ziemlich krank war, den Berufseinstieg wieder ermöglichen, in ein Gewerbe, in dem er nicht ständig schwere Lasten tragen muss. Die Werkstatt hat Aufträge und die Produkte gewinnen an Qualität. Mit dem Rechnen gibt es noch Probleme, die langfristig bearbeitet werden müssen.

Die Schulkinder besuchen eine Internatsschule ca 60 km entfernt; während der Schulferien werden sie in Bussen in ihre Heimatorte gebracht. Schon einige Zeit vor den Weihnachtsferien wurden die Kinder nach Hause gefahren, weil die Schule kein Wasser hat und viele Kinder einen Ausschlag haben, der wohl vom Herpesvirus verursacht ist. Die Vorschule hat jetzt mit einer kleinen Abschlussfeier geschlossen; sie wird wohl auch im nächsten Jahr ohne ausgebildete Leiterin weitergehen. Eine Toilette für die neue Schule ist gebaut worden - eine Komposttoilette, die Wasser spart und Dünger liefert.

Bis zum nächsten Mal herzliche Grüße aus Südafrika

Elke und Jochen

Wir freuen uns über e-mails von euch!