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7. Bericht vom 15. Oktober 2006 aus Groot Marico - Kuilfontain

Liebe Freundinnen und Freunde,

vielen Dank, dass ihr unsere Berichte lest, obwohl sie so unregelmäßig herauskommen. Vielen Dank auch an Kai, der sie so brillant ins Internet stellt. Schließlich auch vielen Dank für die mails zu unserem letzten Bericht, in dem wir über den Tod von Jeanette berichteten. Zur Zeit werden die Kinder von zwei jungen Frauen, die keine Ausbildung und keine Erfahrung haben, beaufsichtigt - keine gute Lösung.

Wir Elke und Jochen- haben vor 3 Wochen eine kleine Urlaubsreise unternommen - die Zeit war kurz die Entfernung allerdings groß. Wir sind mit Freunden, die am Indischen Ozean ein Ferienhaus haben 12 Stunden im Auto in ein Paradies gereist. Der Ort heißt Hamburg- direkt am Meer und an einem Fluss, der nicht Elbe, sondern Keiskamma heißt. Im Zuge der Kolonialisierung haben sich hier Personen aus Hamburg an der Elbe angesiedelt und ihre Siedlung nach ihrer Herkunftsstadt benannt. Zum Glück ist es bis heute noch keine Stadt geworden und weder Fluss noch Meer sind mit Abwässern verunreinigt. hamburg südafrika

Wie fast überall in Südafrika haben an dem schönsten Teil dieses Dorfes sich weiße Menschen angesiedelt und die ursprünglichen Einwohnerinnen wohnen weiter weg in weniger attraktiven Unterkünften. So ist es in allen Städten hier in Südafrika. Wenn man sich einer Stadt nähert sieht man zunächst Flächen bedeckt mit kleinen Hütten, manchmal Verschläge aus Blech, manchmal aus Lehm und manchmal auch ordentlich gebaut aus Bausteinen mit Dach. Nach einiger Zeit tauchen dann “richtige“ Häuser auf mit Gärten und starken Zäunen drum rum, man hat dann den Eindruck, das sei jetzt die Stadt, es bedarf eines zweiten Gedankens um sich klar zu machen, dass die Unterkünfte vor den schönen Gebäuden die meisten Bewohner und Werktätigen dieser Stadt beherbergen, also die eigentliche Stadt sind.

Manche aufgeschlossenen Menschen hier - weiße SüdafrikanerInnen, sagen dass der Rassenunterschied dem Klassenunterschied gewichen sei, denn es gäbe jetzt viele reiche Schwarze. Man sieht besonders in den Städten Menschen aller Hautfarben auch in sehr teuren Autos fahren und in eleganten Häusern wohnen. Auf der anderen Seite allerdings sieht man keine Weißen in diesen Blechverschlagsiedlungen wohnen. Wir hörten Weiße sagen, man könne von 5000 Rand (ca 500 Euro) nicht leben, ihren Hausangestellten aber zahlen sie 500 Rand (ca. 50 Euro)

Aber zurück nach Hamburg:
Wie überall in Südafrika ist die Verbreitung von HIV Aids auch hier sehr groß. Ein Arztehepaar aus Johannesburg, das sich hier wegen der schönen Natur angesiedelt hat, konnte die Notlage der Aids - Kranken nicht übersehen und hat im Laufe der Zeit für den Bau einer Clinic und eines Hospizes in Hamburg gesorgt. Clinic und Hospiz in Hamburg

Die Frau - Carol - wollte sich eigentlich an diesem schönen Platz den bildenden Künsten hingeben, daraus ist ein Projekt geworden, in dem vorwiegend Frauen das Sticken erlernen und mit den Produkten etwas Geld verdienen. Zeitweise sind in den umliegenden Dörfern 120 Frauen damit beschäftigt, nach Vorlagen Bilder zu sticken. In ihrem Laden sind fast alle Artikel - Schürzen Kissen Sets - bestickt mit Kühen. Dahinter steht eine historische Erfahrung, die heute noch die Gemeinschaft bewegt. Anfang des letzten Jahrhunderts rief eine Prophetin die Gläubigen auf, alle Kühe zu schlachten, d.h. ihre Lebensgrundlage zu vernichten, um ihren Glauben zu beweisen, dass Gott sie vor der Kolonialherrschaft retten wird. Viele folgten ihrem Ruf, einige wenige weigerten sich. So geschwächt hatten sie keine Kraft, den Angriffen der Kolonisatoren zu widerstehen. Einige deuten die Erfahrung so: Gott habe nicht geholfen, weil nicht wirklich alle ihre Kühe geschlachtet hatten. Andere sagen, die Prophetin war eine Agentin der Kolonisatoren. Die Gesellschaft ist noch heute gespalten in Gläubige und Umgläubige. Das interessanteste Stück ist unserer Meinung nach eine Übertragung der Aussagen des Isenheimer Altars von Matthias Grünewald ins heutige Südafrika, wo HIV und Aids Familien und sozial-kulturelle Bindungen zerstört. Auf eine Europareise lernte die Ärztin den Isenheimer Altar und seine Geschichte kenne. Sie sah Parallelen zwischen der Not auf die der Isenheimer Altar verweist und der Not der von der Aids - Epidemie zerrütteten Gesellschaft und erzählte den stickenden Frauen davon. Die Frauen nahmen ihre Anregung auf und übersetzten die Bilder des Altars in ihre Wirklichkeit. Mit Szenen und Personen aus ihrer Mitte: Anstelle der Grablegung Jesu ist ein Bild eines bestimmten Aids - Toten der Gemeinschaft, seines Krankenlagers, seines Sterbens und seiner Beerdigung gestickt. the keiskamma altarpiece

Vor dem Kreuz steht anstelle Jesu eine junge Witwe eines Aids-Toten, sie ist umgeben von Aids-Waisen und deren Großmüttern, die für die Waisen zu sorgen haben. An Stelle der Heiligen des Isenheimer Altars sind weise Frauen der Gemeinschaft abgebildet - eine in anglikanischer Kirchentracht und eine in traditioneller Heilerinnentracht. Die nächste Ebene des Altars drückt spirituelle Hoffnung aus - wie der Isenheimer Altar - gleichzeitig in Bildern traditionelle und orthodoxer Frömmigkeit: ein lokaler wilder Feigenbaum, der Menschen und Tieren Schutz gibt. Eine Kirche mit Priestern im Ornat, runde Häuser mit traditionellen Heilern und ein gegenwärtig lebender Prophet, der in den Sanddünen mit seinen Fußspuren ornamente gestaltet, Gebete, die er nachts träumt. Seine Spuren führen zu dem Hoffnungsbild, das im Isenheimer Altar die Auferstehung Jesu darstellt, hier dagegen das Dorf Hamburg von Himmel und Meer, Licht und Freude umgeben. Die Dritte Ebene stellt Fotodrucke von drei Großmüttern mit ihren Enkelkindern in den Mittelpunkt anstelle der vier Apostel des Isenheimer Altars. Das Werk übersetzt eignet sich an und überschreitet die Vorlage und öffnet den Blick für die Erfahrungs- Leidens - und Hoffnungswirklichkeit der Menschen in Hamburg. Dieses Werk wurde während der Aids Konferenz in Toronto vorgestellt und hat im amerikanischen Raum große Beachtung gefunden. Gegenwärtig wird es in den USA ausgestellt und dabei Geld für einen spirituellen Raum gesammelt, der in Hamburg gebaut werden soll, in dem das Werk für immer ausgestellt werden kann. Eines der Bilder in kleinem Format ist auf dieser Seite zu sehen. Wer Interesse hat, kann sich alle Bilder mit Erklärungen zuschicken lassen.

Während unserer Abwesenheit haben die jungen Männer und Frauen in den von uns betreuten Projekten eigenständig Kissen,Matten und Schränke hergestellt. Das war für die Trainees und auch für uns eine gute Erfahrung. Wir sind froh, dass wir einen Teil unserer Produkte an das Tara Rokpa Center verkaufen können gleichzeitig nimmt die Nachfrage aus der Dorfgemeinschaft zu. So können die Lernenden an den eher fremdbestimmten Produkten Fähigkeiten erlernen, die sie später brauchen, um dem Bedarf lokaler Kunden zu entsprechen. Nach den vielen Jahren des Unterrichtens mit Worten ist das Handwerken eine bereichernde Erfahrung.
Ein Bericht über die ersten Monate der Trainingsprojekte ist in Arbeit.

Herzliche Grüße Elke und Jochen